Ein kleines Stück Griechenland im Osten Österreichs stellt es dar. Das orthodoxe Kloster in St. Andrä am Zicksee. Ende September wurde – coronabedingt in kleinerem Rahmen – der Grundstein gelegt. Und noch leben, beten und wirken die Mönche in Reihenhäusern gegenüber dem Bahnhof von St. Andrä. Ihren Weihnachtsbesuch bei ihnen hat meine Kollegin Maria Harmer vorgezogen, als sich eine Verschärfung der Corona-Massnahmen abgezeichnet hat. Und so war sie im Spätherbst – einmal mehr – zu Gast bei den Mönchen, um herauszufinden, wie sie denn Advent und Weihnachten begehen. Der Zeitpunkt ist ja in der griechisch-orthodoxen Tradition derselbe wie in den Kirchen des Westen, also katholisch und evangelisch. Sie richten sich – was Weihnachten angeht – nach dem selben Kalender. In der Art wie das Fest begangen wird gibt es jedoch wesentliche Unterschiede. Aber hören Sie selbst…

Von der Autobahn aus Wien kommend Richtung Budapest runter bei Mönchhof. Die Landschaft ist flach. Unzählige riesige Windräder drehen sich. Durch kleine Ortschaften; vorbei an der Basilika von Frauenkirchen. Direkt vor der Adresse „Bahngasse 38 bis 39“ in Sankt Andrä am Zicksee gibt es – unter einem winterlich kahlen Baum – die Möglichkeit, das Auto zu parken.

[Originalton Navigationsgerät:] „Sie haben ihren Zielort erreicht!“

Das Coronavirus hat auch hier Veränderungen hervorgerufen. Das sonst immer offene Holztor ist geschlossenen. Davor steht ein kleiner Tisch mit einem Desinfektionsmittel. Doch dann ist die Begrüßung durch einen der jungen Mönche wie immer herzlich und der Weg hinein ins Kloster und insbesondere in die Kapelle wie ein Eintauchen in eine andere Welt.

[Im Hintergrund: Originalton liturgischer Gesang der Mönche] 

Der kleine rechteckige Raum ist halbdunkel. Lange, dünne Kerzen stecken in Gefäßen mit Sand und verbreiten ihr Licht. Vergoldete Ikonen glänzen. Weihrauch kitzelt in der Nase. Mehrmals am Tag treffen die Mönche einander hier zum Gebet.

Abt des orthodoxen Klosters ist Paisios Jung. Auch dieses Wiedersehen nach der Vesper ist herzlich und der gebürtige Deutsche erzählt in der warmen Stube bei einer Tasse starkem griechischem Kaffee über die in der griechisch orthodoxen Tradition doch sehr unterschiedliche Vorbereitung auf das Weihnachtsfest:

[Originalton Abt Paisios Jung:] „Diese Art `Adventkultur´, die es im Westen gibt, die können Sie vergessen. Also gut, wir jetzt im Westen, die wir [hier] leben, nehmen natürlich manches ein bisschen an, ist auch schön für´s Gefühl vielleicht, aber in unserem Glauben: diese Art Vorbereitung von Weihnachten kennen wir nicht.“

Sagt Abt Paisios, der eine traditionelle schwarze Kopfbedeckung und eine lange, schwarze Mönchskutte trägt. Und er denkt an seine Kindheit. Er ist an der deutsch-französischen Grenze aufgewachsen. Seine Mutter war evangelisch, der Vater katholisch. Damals war die Adventzeit auch in diesen christlichen Traditionen mehr durch Stille gekennzeichnet, erinnert er sich und erzählt vom Backen der Kekse, die dann aber bis Weihnachten versteckt und noch nicht gegessen wurden.

[Originalton Abt Paisios in liturgischem Gesang:] „Kyrie Eleison!“

[Originalton Abt Paisios:] „Und was wir auch weniger haben oder nicht haben sind so Adventlieder. Ist auch nicht bekannt. In den Gottesdiensten wird es dann schon mehr auf den Gedanken auf Weihnachten hin gehen, auch in den Texten, aber all dieses Volksbrauchtum-  was Advent betrifft – muss man vergessen. Also das gibt es bei uns nicht und daher auch in den Klöstern [nicht]. Diese Vorbereitung ist mehr dieses Fasten, die Stille und eben das innere Vorbereiten indem man sich die Texte liest der Gottesdienste. Also eher ein stilles Vorbereiten. Was Weihnachten -das vielleicht möchte ich dann aus meiner Erfahrung von beiden Seiten bringen – auch wieder intensiver macht.“

Abt Paisios kennt wirklich – wie er es nennt – „beide Seiten“: bei den Karmeliten in Bamberg war er im Internat, dann trat er in ein Benediktinerkloster ein, durchlebte eine Krise, kam mit der Orthodoxie in Kontakt und trat zur griechisch-orthodoxen Kirche über. Auch im griechisch-orthodoxen Kloster in Sankt Andrä am Zicksee haben die Mönche bereits vierzig Tage vor dem Weihnachtsfest begonnen zu fasten.

[Originalton Abt Paisios:] „[…] was bei uns bedeutet: keine tierischen Produkte, ab und zu mal Fisch an hohen Feiertagen die in diesen Tagen sind, ansonsten gibt´s das alles nicht. […] Wenn der Leib fastet, dann wird die Seele freier und sie kann mehr Erfahrungen machen. Sie ist offener für das Mystische wieder und für diese geistlichen Erfahrung. Das ist also für uns sehr wichtig. „

Die sogenannte „Göttliche Liturgie“ ist täglich insbesondere aber zu Weihnachten der Höhepunkt des Tages, erläutert Abt Paisios.

[Originalton Abt Paisios:] „Sie ist für westliche Menschen sicher erst mal gewöhnungsbedürftig. Man braucht eine gewisse Zeit, um hineinzukommen. Aber das was ich vermisst habe in der katholischen Liturgie, ohne es bewerten zu wollen, aber das war dieser `Faden´ hin zu Gott, zu dieser `Mystik´, also zu diesem `Übernatürlichem´, was die Liturgie ja mitprägt seit alter Zeit, das der oft gefehlt hat. Es war eher eine Versammlung von Gläubigen, die schön gestaltet werden konnte, alles keine Frage. Aber so dieser Gedanke: `Gott tritt ein in diese Gemeinschaft´, das ist etwas, was ich als Erfahrung gemacht habe in der orthodoxen Liturgie, denn sonst könnte man kaum aushalten, dass unser längster Gottesdienst – nicht hier, wir sind zu wenige, aber in unseren Mutterklöstern – bis zu vierzehn Stunden geht. Ich glaube, dass könnte man sonst nicht – und zwar nicht nur `ertragen´ – sondern `feiern´.“

Und gefeiert wird in diesem gastfreundlichen Haus – wenn Corona es erlaubt – mit Gästen. Und insbesondere zu Weihnachten steht auch der Abt selbst in der Küche und brät ausnahmsweise – weil Fleisch im orthodoxen Kloster nur sehr selten auf den Tisch kommt – einen Festtagsbraten nach dem Rezept seiner Mutter, denn Weihnachten ist ein wichtiges Fest im Jahreskreis.

[Originalton Abt Paisios:] „Ohne Weihnachten, das Gott herabgestiegen ist, könnten wir auch heute nicht in den Himmel kommen. Er hat die Tür damals geöffnet. Natürlich dann Ostern endgültig, für alle, die wollen. Also Weihnachten ist in der Hinsicht ein sehr wichtiges Fest, weil wirklich Gott gezeigt hat, er hat Beziehung zu uns und er wurde Mensch, um uns zu erlösen. Das ist Weihnachten, das große Geheimnis. Und, dass er das als Baby wurde ist für uns auch sehr wichtig, um zu zeigen, das Leben beginnt nicht erst wenn ich arbeite oder wenn ich lernen kann, sondern menschliches Leben ist da, ist ein Geschenk Gottes und entwickelt sich dann.“

All dessen wird während der täglichen Gebetszeiten, der Liturgie und insbesondere auch während der Nachtwachen im griechisch-orthodoxen Kloster gedacht.

[Originalton Abt Paisios:] „Und das gilt also für alle unsere Feiertage, wenn die `Großen Nachtwachen´ sind. Die sind eben dafür da, dass der Mensch Zeit hat. Der Höhepunkt ist ja dann die Liturgie, sodass man dann wirklich so weit ist, in der Stimmung, im Denken, im Betrachten, im Dasein, dass dieses Geheimnis in der Liturgie Frucht bringt.“

Frucht gebracht scheint auch das beharrliche Gebet der Mönche für den großen Neubau des Klosters zu haben. Patriarch Bartholomäos sowie Papst Franziskus haben das Projekt befürwortet, doch im Ort selbst gab es Widerstand. Nicht gegen das Kloster, aber gegen den Standort. Ende September konnte nun im Rahmen eines coronabedingt kleineren, aber feierlichen Festaktes der Grundstein des neuen Klosters durch Abt Paisios Jung, Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics, Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und dem Bürgermeister der Gemeinde Sankt Andrä gelegt werden.

[Originalton Abt Paisios:] „[Der] Architekt meint, bis Weihnachten nächstes Jahr könnte die Kirche fertig sein. Wie´s dann auch weitergeht, das ist ja nicht nur die Kirche, es muss ja noch mehr gebaut werden, aber für uns ist das Wichtigste die Kirche und daher sicher Christmette. Sich dann zu denken: ja, nächste Christmette in der neuen Kirche ist sicher was besonderes.“

Freude und Vorfreude also als prägende Stimmungen bei den griechisch-orthodoxen Mönchen im burgenländischen Seewinkel…

[Im Hintergrund: Originalton liturgischer Gesang der Mönche] 

Maria Harmer hat die griechisch-orthodoxe Mönchsgemeinschaft in Sankt Andrä am Zicksee besucht. [Ö1/Dr. Maria Harmer]

„Lebenskunst – Begegnungen am Feiertag“, Ö1 am 25.12.2020

Link zum Ö1-Radiobeitrag vom 25. Dezember 2020:


Ö1 Lebenskunst – Begegnungen am Feiertag: Fasten, beten und feiern – Weihnachten bei den orthodoxen Mönchen in St. Andrä am Zicksee (Sendung vom 25.12.2020)