„Während man in den Westkirchen am 6. Jänner die heiligen drei Könige feiert, versteht man und feiert man in der orthodoxen Kirche an diesen Tag `Epiphanias´ als Taufe des Herrn im Jordan (Epiphanie = `Erscheinung´, Theopanie = `Erscheinung des Herrn´).

Das heißt, wir feiern an diesem Tag die Offenbarung Jesu als den menschgewordenen Gottessohn und auch die Offenbarung des dreieinigen Gottes vor den Augen eines Menschen, Johannes dem Täufers. Der Ort ist aber nicht zufällig. Es ist am Fluss des Jordan, wo Jesus in das Wasser hinabsteigt und deshalb eng mit diesem Gedenktag der Taufe Christi im Jordan verbunden ist auch das Bewusstsein für die Rolle des Wassers im Heilsgeschehen und der Schöpfung im Allgemeinen. Die Schöpfung ist also von Anfang an beteiligt an diesem neuen Dialog zwischen Gott und den Menschen. Es ist sogar ein unverzichtbarer Bestandteil dieses Dialogs. Und das Wasser – repräsentativ für die ganze Schöpfung – entdeckt in sich oder für die Menschen diese Urquelle des Lebens oder ihre Rolle als heilende Kraft im Leben.

Das besondere an diesem Tag für die orthodoxen Christen ist, dass nach der Liturgie / nach der Messe Priester und Gläubige in einer Prozession losziehen zu den Flüssen oder an den Seen – wenn es die Möglichkeit gibt – und dort das Wasser, nicht nur in den großen vorbereiteten Behältern segnen und weihen, sondern auch alle Gewässer der Erde. Es ist also ein Tag der Schöpfung, ein Tag, wo das Wasser gesegnet / geweiht wird. Und damit verbunden sehr stark das Bewusstsein, dass die Taufe des Herrn uns einen neuen Blick für die kosmische Dimension des Glaubens und der christlichen Identität eröffnen will.

Mit diesem Bewusstsein im Hintergrund spielt dann der Gottesdienst der `Großen Wasserweihe´ auch für die orthodoxen Gläubigen eine sehr, sehr große Rolle. An diesem Tag kommen mehr Leute in die Kirche als am Weihnachtstag, weil die Gläubigen Flaschen mit Wasser mitbringen oder Behälter mitbringen mit Wasser und sie lassen es weihen. Und von diesem geweihten Wasser trinkt man acht Tage lang – ab diesem Fest, also bis 14. Jänner – am Morgen, vor dem Frühstück. Und man verbindet damit natürlich nicht nur die Verbundenheit mit dem Fest – also man ist dabei an diesem Tag mit Jesus Christus und Johannes -, sondern auch die Hoffnung, dass wir mit der Schöpfung eine neue Beziehung eingehen.

Das Schöne, das ich in diesem Zusammenhang als etwas Besonderes empfinde, ist, dass für die orthodoxe Theologie die Segnung der Materie – jetzt die Weihe des Wasser – nicht als eine Wirkung von Außen verstanden wird die hinüber strömt auf die Materie, also eine externe Wirkung Gottes, sondern wir verstehen die Segnung so, dass die Materie den göttlichen Sinngehalt wiederentdeckt, den sie schon immer hat.

Also man könnte sagen, die Weihe des Wasser ist für uns die Erkenntnis dessen, was schon immer da ist. Das Wasser ist gut, die Materie ist gut, die Schöpfung ist gut. Und an diesem Tag werden wir [uns] dessen neu bewusst, dass die Schöpfung schon von Anfang an diese Kräfte in sich trägt. Also es ist nicht eine verdorbene, eine gefallene Natur, die wir jetzt irgendwie mit Gnade ergänzen oder verbessern wollen, sondern es ist die gute Schöpfung Gottes, die uns jetzt wieder vor Augen tritt und damit auch dieses neue Verhältnis zwischen Mensch und Schöpfung auch bewusst wird.“